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Vermisster Arian: Ex-Ermittler bringt neue Theorien ins Spiel - und erklärt „Phase zwei"

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Stand: 14.05.2024, 19:20 Uhr

Von: Maximilian Kettenbach

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Seit dem 22. April ist der kleine Arian verschwunden. Die aktive Suche nach dem Sechsjährigen verlief mit Hochdruck und wird nun eingestellt. Ex-Ermittler Axel Petermann erklärt, warum.

Bremervörde - Eine Woche waren Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr und eine Menge freiwilliger Helfer fast rund um die Uhr auf der Suche nach Arian. Von 1200 Einsatzkräften ist die Rede. Sie durchforsteten jeden noch so kleinen Winkel in und um Bremervörde-Elm (Niedersachsen), wo der sechsjährige Junge zu Hause ist.

Der Junge wurde zuletzt am Montagabend gegen 19.30 Uhr in seinem Elternhaus gesehen. Arian, der Autist ist und nicht auf Ansprache reagiert, könnte sich verstecken oder unbemerkt auf fremdem Grundstück aufhalten, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Die Eltern baten alle Anwohner eindringlich um Mithilfe.

Polizei kündigt Ende der aktiven Suche nach Arian aus Niedersachsen an

Nach Tagen der Suche kündigten die Ermittler nun am späten Montagnachmittag (29. April) einen Strategiewechsel an. „Wir werden ab morgen hier nicht mehr vor Ort sein", erklärte ein Sprecher die aktive Suche für beendet. Die Suche würde nur noch anlassbezogen stattfinden, heißt es. Eine Ermittlungsgruppe mit Fachleuten für Vermisstenfälle werde weiter an dem Fall dranbleiben. Jetzt startet die Ermittlungsphase um Arians Verschwinden.

Axel Petermann erklärt die Phase zwei auf der Suche nach Arian bei IPPEN.MEDIA. „Die Ermittler prüfen jetzt die Umstände des Verschwindens und werden dort anfangen, wo er zuletzt gesehen wurde." Man werde wohl versuchen, das Geschehen anhand von objektiven Tatsachen, wie dem Video einer Überwachungskamera, in Einklang zu bringen mit Zeugenaussagen und überlegen, was abgesehen vom Weglaufen noch in Betracht komme.

Petermann war jahrelang Mordermittler, wurde zur Jahrtausendwende zum Profiler. Als solcher beriet er dann die Ermittler. Mittlerweile pensioniert, geht er - meist von Angehörigen beauftragt - zahlreichen Vermisstenfällen nach. Er dröselte zuletzt auch den Fall Rebecca Reusch bei IPPEN.MEDIA auf. Sein Podcast „Das entscheidende Indiz" ist für den Deutschen Podcastpreis nominiert.

Theorien im Fall des vermissten Arian: Wurde er entführt oder gab es einen Unfall?

„Die Polizei geht, von außen betrachtet, sehr gewissenhaft, kreativ und professionell vor. Sie müssen sich auf das verlassen, was ihnen gesagt wird. Nämlich, dass der Junge in einem unbeachteten Moment fortgelaufen ist", so Petermann. „Aber klar, vielleicht wurde er dann von einem fremden Täter zufällig gesehen und entführt, vielleicht gab es einen Unfall, weshalb der Junge sich nicht bemerkbar machen kann."

Die Polizei habe mit ihren Helfern zunächst einmal die typischen Gefährdungsorte für Kinder wie Teiche, Flüsse oder Gräben abgesucht. Aber jetzt werde darauf reagiert, ob es Beobachtungen gegeben habe - und offenbar noch verstärkter, wohin die gefundenen Fußspuren führen. „Ein Kind bewegt sich ja, sucht etwa auch Stellen auf, an denen bereits gesucht worden war. Vielleicht gibt es Orte und Plätze, zu denen das Kind eine Beziehung hat, weil es sich dort einmal wohlgefühlt hat."

Axel Petermann war Mordermittler, ehe er zur Jahrtausendwende zum Profiler wurde. Der polizeilich bestätigte Fallanalyst beriet seither die Ermittler. Bis 2014. Dann ging er in Pension. Kriminalfälle lassen ihn allerdings weiter nicht los. Seine auf wahren Fällen basierenden Bücher brachten ihn auf die Spiegel-Bestsellerliste. © Ralf Gemmecke

Mega-Suche der Einsatzkräfte ohne Erfolg - jetzt rückt Arians Umfeld ins Visier

Insgesamt wurde eine Fläche von 5300 Hektar zu Land, zu Wasser und aus der Luft mit Kräften von Feuerwehr, Bundeswehr, THW, DLRG und Polizei abgesucht. Dies entspricht der Fläche von über 7500 Fußballfeldern. Es waren täglich rund 800 Personen im Suchgebiet im Einsatz, darunter auch viele polizeiliche Spezialkräfte mit Hunden, Pferden, Helikoptern, Drohnen, Booten und Tauchequipment.

Was der Strategiewechsel der Polizei nun ebenfalls bedeuten könnte: „Ich will das allgemein sagen und nicht auf diesen Fall beziehen. Aber die Polizei wird die Richtigkeit der Angaben der Eltern prüfen müssen oder sicherlich schon geprüft haben. Das ist komplex. Einerseits will die Suche koordiniert sein, aber die Ermittler werden auch Hinweisen aus der Bevölkerung und vorgefundenen Spuren nachgehen müssen. Wenn ein Kind verschwindet, ist immer von einer hohen Gefährdung auszugehen. Da schrillen immer die Alarmglocken."

Warum endet die große Suche gerade jetzt? Die Hoffnung auf ein Wunder lebt in Bremervörde

Es gebe bisher kein Enddatum, wann die Suche abgebrochen werde, sagte eine Polizeisprecherin noch am Sonntag dem NDR. Nachdem am Wochenende jedoch noch einmal jeder Stein umgedreht wurde, erklärte die Polizei am Montagnachmittag ernüchtert: „Wir haben gestern noch mal alles in die Waagschale geworfen." Doch der Erfolg blieb aus. „Wir waren fast dabei, zu versprechen, wir werden ihn finden, und das konnten wir nicht einhalten." Auch wenn die Hoffnung langsam schwindet, so berichtete ein Polizist während der Suche von einem „richtigen Gänsehautmoment", der ihn motiviert habe.

Warum der Abbruch der großen Suchaktion gerade jetzt? In einem anderen Fall war der vermisste Joe am achten Tag gefunden worden. Vom Wunder von Oldenburg ist die Rede. Petermann sagte dazu, es gebe viele Faktoren, die es zu bedenken gilt. „Wann eine Suche eingestellt wird, ist abhängig vom Kind selbst, den Temperaturen und Wetterbedingungen, dem gesundheitlichen Zustand und der Umgebung."

„Wenn ein Kind verschwindet, ist immer von einer hohen Gefährdung auszugehen. Da schrillen immer die Alarmglocken."

Die Ermittler dürften sich laut Petermann folgende Fragen stellen: „Wenn Arian nicht von irgendjemandem mitgenommen wurde, wie lange kann er ohne Essen und Trinken auskommen, sich selbst versorgen? Und dann wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem man sagt: Wir haben alles erdenkbare getan, um das Kind zu finden. Jetzt schauen wir uns nochmal andere Dinge an."

Aktive Suche nach Arian in Bremervörde eingestellt - doch Petermann sagt, was Hoffnung macht

Schon vor wenigen Tagen sagte der Vermisstenexperte Peter Jamin bei IPPEN.MEDIA, er wolle nichts ausschließen. Auch eine Entführung komme in Betracht. „Dann werden die Ermittler auf einen Täter achten, der sich aus welchen Gründen auch immer für Kinder interessiert, aber natürlich auch das Umfeld der Familie nicht außer Acht lassen dürfen: Also im Haus nach Spuren schauen, wenn es noch nicht geschehen ist und auch das Auto überprüfen", sagte Petermann.

Petermann blickt als einstiger Ermittler und Fallanalyst auf zahlreiche Berufsjahre und unterschiedlichste Fällen zurück. Was macht Hoffnung? „Dass viele Menschen nach Arian suchen und dass wir aus der Vergangenheit wissen, dass diese Aktionen auch erfolgreich enden können."

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