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„Hart aber fair" in der TV-Kritik: Perspektiven auf den Wohnungsmangel

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Was den Wohnungsmarkt angeht, wird man nicht sagen können, dass die Bundesregierung Glück hätte mit den ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Zinswende fällt offenbar bescheidener aus, als von vielen Experten erwartet. Zuletzt sind die Hypothekenzinsen sogar wieder leicht gestiegen. Und auch die Kosten am Bau, die von Corona und Ukrainekrieg massiv nach oben getrieben worden waren, sinken nicht in dem erhofften Maß. Wer neue Mietwohnungen baut, müsste mindestens 20 Euro Miete im Monat für den Quadratmeter verlangen, um auf seine Kosten zu kommen. 

Das Ziel der Ampelkoalition von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr wird unter diesen widrigen Umständen in absehbarer Zeit nicht erreicht werden können; eher ist es erstaunlich, dass im vergangenen Jahr noch etwa 230.000 Einheiten neu entstanden sind. Bauen können inzwischen fast nur noch diejenigen, die nicht auf den Preis achten müssen; sie finden jetzt sogar leichter Handwerker. An der schwierigen Lage auf dem Gesamtmarkt ändert sich dadurch aber nichts.

Was die großen Entwicklungen angeht, war der Neuigkeitswert der Talkshow „Hart aber fair" am Montagabend entsprechend gering. Ihre Berechtigung hatte die Sendung gleichwohl, denn für diejenigen, die wegen Arbeitsplatzwechsel, Familienzuwachs, Trennung oder aus anderen Gründen eine neue Wohnung suchen müssen und nur ein begrenztes Budget zur Verfügung haben, wird die Lage bei anhaltend hoher Zuwanderung immer schwieriger.

Fallbeispiele aus der Mittelschicht

Die beiden gut gewählten Fallbeispiele für die mehrjährige vergebliche Suche nach einer größeren Wohnung - eine vierköpfige Familie aus Berlin und eine alleinerziehende Mutter mit zwei Teenager-Kindern in Hannover - zeigten die Schwierigkeiten gerade der Mittelschicht, auf dem Markt fündig zu werden. Das Berliner Paar berichtete ohne Pathos und gerade deswegen sehr eindringlich davon, was es für das Familienleben bedeutet, wenn Kinder und Eltern im gleichen Zimmer schlafen müssen, die Kleinen keine Freunde nach Hause einladen können und für etwas größeres Spielzeug kein Platz in der Wohnung ist.

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Für den Titel „Verzweifelt in vier Wänden: Darum wird Wohnen immer teurer" muss sich Moderator Louis Klamroth denn auch nicht den Vorwurf der Übertreibung gefallen lassen. Eher schon dafür, dass er mit der Feststellung den falschen Akzent gesetzt hat. Als der redlich bemühte, aber von seinen vielen Gästen und von den vielen Aspekten des Themas leicht überforderte Klamroth den Berliner Familienvater, ein SPD-Mitglied, zu einer Polemik gegen die vermeintlich unzureichende Mietpreisbremse nötigen wollte, parierte der ganz kühl, die Miethöhe sei nicht das Hauptproblem, sondern der Mangel an passenden Wohnungen.

Die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek von der Linkspartei brachte er damit erwartungsgemäß nicht in Grübeln. Sie beharrte vielmehr auf der Einführung des für verfassungswidrig befundenen Mietendeckels. Es war die gut aufgelegte Gitta Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die darauf hinwies, dass die Mietpreisbremse vor allem jenen hilft, die schon eine Wohnung haben und in dieser bleiben wollen, wodurch der Markt quasi eingefroren wird.

Kaltschnäuzigkeit hilft

Und die Preisbremse hilft jenen, die kaltschnäuzig und konfliktfreudig genug sind, nach dem Einzug in eine Wohnung gegenüber dem Vermieter eine Senkung der Miete unter Verweis auf den Mietspiegel durchzusetzen, wie Hermann-Josef Tenhagen von „Finanztip" bemerkte (der zur Anwendung dieses Mittels nachdrücklich ermunterte). Darauf, dass die Mietpreisbremse zudem sozial blind ist, wies auch der Berliner Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick hin. Der Chefarzt, der von vielen Vermietern einer weniger wohlhabenden Familie vorgezogen werde, profitiere dann auch noch von der günstigen Miete.

Moderator Louis Klamroth spricht mit Tine Wittler, Hermann-Josef Tenhagen und Jürgen Michael Schick.WDR/Oliver Ziebe

Es war überhaupt eine Stärke dieser Sendung, dass die Mechanismen auf dem Wohnungsmarkt von den Teilnehmern der Runde vergleichsweise differenziert dargestellt werden konnten. Immobilienunternehmer Schick erinnerte daran, dass die Mietpreisbremse ursprünglich dafür gedacht gewesen sei, der Politik eine Chance zu geben, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau zu verbessern - diese Gelegenheit aber nicht genutzt worden sei.

Und Schick rechnete außerdem vor, dass es Ewigkeiten dauert, bis aus ersten Überlegungen bezugsfertige Gebäude geworden sind: Mehr als neun Jahre dauert es in Berlin im Durchschnitt, bis ein Bebauungsplan beschlossen ist, und anschließend vergehen noch einmal zehn Jahre, bis die Neubauten fertiggestellt sind. Neubauten, die auch deshalb nicht entstehen, weil die abrupte Beendigung von Förderprogrammen durch die Ampel potentielle Bauherren massiv verunsichert hat, wie Connemann betonte.

Vorwürfe an die FDP

Es ist eben auch so, dass die Ampel-Regierung nicht nur kein Glück hatte mit den makroökonomischen Rahmenbedingungen, sondern dass sie die Lage mit ihrer Wohnungspolitik unnötig verschärft hat. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in Verlegenheit zu bringen, wird Klamroth in diesem Leben dennoch nicht mehr gelingen. Der Moderator versuchte es mit dem Hinweis auf den Wahlslogan „Jetzt faire Mieten wählen" von Olaf Scholz aus dem Bundestagswahlkampf 2021, was Kühnert dazu nutzte, um der FDP vorzuwerfen, sie verhindere innerhalb der Ampelkoalition eine mieterfreundlichere Gesetzgebung, indem etwa die vorhandenen Lücken der Mietpreisbremse (Ausnahmen für möblierte Wohnungen, Indexmieten) nicht geschlossen würden.

Was Kühnert an Lösungen für die Krise auf dem Wohnungsmarkt anzubieten hat, fällt bescheiden aus. Er setzt große Hoffnungen auf den sogenannten Gebäudetyp E (E wie Experiment), der es den Bauherren ermöglichen soll, viele Vorschriften außer Acht zu lassen, sofern nur im Ergebnis die Zielvorgaben etwa hinsichtlich des Energiestandards erfüllt werden. Unternehmer Schick wies kühl und sehr zurecht darauf hin, dass das wegen der hohen Anforderungen an den Bauherren kaum zu großen Volumina führen wird.

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Auch den Evergreen vom Mieterparadies Wien stimmte Kühnert an, das aber durch eine mehr als hundertjährige konsistente Wohnungspolitik entstanden ist. Ein großangelegter (Rück-)Kauf von Wohnungen durch die öffentliche Hand und ihre Unternehmen wird diese langfristige Strategie hierzulande nicht ersetzen können. Schick - der freundlich, aber bestimmt die Rolle des Realisten einnahm - wies auf die 4500 Wohnungen hin, die eine Gesellschaft des Landes Berlin jüngst vom börsennotierten Wohnungskonzern Vonovia gekauft hat; 700 Millionen Euro werden für einen Bestand in bescheidenem Zustand und mit niedrigen Durchschnittsmieten fällig - Mittel, die in der Schaffung von dringend benötigten Neubauten viel besser angelegt wären. Stattdessen wird abermals Geld des Steuerzahlers dafür aufgewendet, den Status quo zu sichern.

Kühnerts freundliche Worte für „Haus und Grund"

Bemerkenswert waren allerdings die auffällig freundlichen Worte von Kühnert in Richtung von Haus und Grund. Der SPD-Generalsekretär deutete an, dass er den Versicherungen des Verbands der privaten Hauseigentümer Glauben schenkt, wonach die meisten Mitglieder sich mit einer Rendite von einem bis zwei Prozent zufriedengäben und an einem langfristig auskömmlichen Verhältnis zu ihren Mietern interessiert sein. „Wenn das so ist, lassen Sie uns dieses Segment stärken." Ein bemerkenswertes Friedensangebot für den einstigen Juso-Vorsitzenden, der einst gemeint hatte, es sei kein legitimes Geschäftsmodell, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die große Lösung, die die Lage auf dem Wohnungsmarkt zügig entspannen könnte, hatte naturgemäß niemand in der Runde parat. Es herrschte immerhin Einmütigkeit darin, dass Wohnungsbau um großen Stil ermöglicht werden muss; der von den Berufsvertretern der Architektenschaft gehegten Illusion, mit Umbauten und Aufstockungen ließen sich große Volumina erreichen, redete niemand das Wort.

Tenhagen warb vielmehr dafür, ein staatliches Sondervermögen zum Bau von 100.000 Wohnungen einzurichten. Connemann wiederum plädierte dafür, die Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb von selbst genutztem Eigentum abzuschaffen und dem Handwerker, der ein klassisches Mietzinshaus als Altersversorgung errichtet, eine verlässliche Perspektive zu bieten. Reichinnek warb für Milliardeninvestitionen im sozialen Wohnungsbau. Schick setzte vor allem auf eine starke Reduzierung der Bauvorschriften: Mit dem Wegfall der Pflicht zum Bau von Stellplätzen und Kellern sowie mit der Senkung der Baustandards etwa hinsichtlich Schallschutz und Energieeinsparung ließen sich die Baukosten signifikant senken. 

Selbst wenn all die Vorschläge verwirklicht würden, wäre denjenigen, die jetzt eine Wohnung suchen, damit nicht geholfen. Von Klamroth gefragt, welchen Tipp er denn für diese Menschen hätte, antwortete Tenhagen mit dem Hinweis, man solle es bei einer Wohnungsgenossenschaft versuchen. Das sei gar nicht so aussichtslos.

Die Kamera schwenkte auf die alleinerziehende Mutter aus Hannover. Sie schüttelte nur traurig den Kopf.

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