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SRW metalfloat in Espenhain: Gewerkschaft beendet Rekordstreik

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SRW metalfloat in Espenhain: Gewerkschaft beendet Rekordstreik

Zunächst sollte der Rekordstreik bei SRW metalfloat in Espenhain nur unterbrochen werden, jetzt hat ihn die IG Metall offiziell beendet. Die Gewerkschaft will Beschäftigten helfen, neue Jobs zu finden.

Das Gewerbegebiet von Espenhain ist seit Monaten im Blickpunkt wegen des längsten Streiks Deutschlands. © dpa

Nach einem Rekordstreik von 180 Tagen hat die Gewerkschaft IG Metall den Ausstand bei SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig am Montag offiziell beendet. Wie es in einer Mitteilung der Gewerkschaft heißt, sei dies das Ergebnis einer Urabstimmung mit den Beschäftigten. Zugleich kritisiert die IG Metall das Verhalten des Unternehmens. Die Leitung hatte Streikende nach einer Unterbrechung des Ausstands ausgesperrt.

"Aus einer alltäglichen Tarifverhandlung mit einer recht bescheidenen Forderung hat der chinesische Gesellschafter einen Kulturkampf gemacht. Wenn sich ein Arbeitgeber so unnachgiebig gegen Gewerkschaften, Mitbestimmung und Rechtssicherheit stellt, ist kein Weg für eine verantwortungsvolle, sozialpartnerschaftliche Lösung offen", sagt Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Jetzt gehe es darum, die wechselwilligen Beschäftigten zu unterstützen, in tarifgebundenen Unternehmen Arbeitsplätze zu finden.

Nach 180 Tagen Streik hatte die IG Metall am 6. Mai den Streik unterbrochen, um aus ihrer Sicht den Weg für eine gemeinsame Lösung des Tarifkonflikts zu ebnen. Die Aussperrung der Beschäftigten läuft noch bis zum 31. Mai. Der Arbeitgeber wollen mit dem Betriebsrat weiter verhandeln, nicht mit der IG Metall, heißt es in der Mitteilung.

"Das deutsche Arbeitsrecht sieht vor, dass Themen wie Lohn, Urlaub und Arbeitszeiten kollektiv mit einer Gewerkschaft verhandelt werden", so Michael Hecker, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. "Der Betriebsrat ist nicht zuständig, Tarifverhandlungen zu führen und so etwas einzufordern ist unzulässig. Scholz Recycling und SRW metalfloat missachten unser deutsches Mitbestimmungsrecht."

Firma begründet Aussperrung

Begründet hatte SRW metalfloat die Aussperrung auch damit, dass "eine kurzfristige Wiedereingliederung der am Arbeitskampf teilnehmenden Personen in die inzwischen etablierten neuen Strukturen objektiv nicht möglich ist." Weil wegen des Ausstands nicht mehr so viele Beschäftigte zur Verfügung stehen, wurde etwa von einem Dreischicht- auf einen Zweischichtbetrieb umgestellt. Zudem bestehe die Befürchtung, dass der unbefristete Streik jederzeit und ohne Vorankündigung wieder aufgenommen werden könnte.

Aus Sicht der Gewerkschaft sei diese Begründung "hanebüchen", wie es in einer Mitteilung hieß. "Gemeinsam mit dem Betriebsrat waren wir am 3. Mai persönlich beim Geschäftsführer der SRW, Thomas Müller. Wir haben angeboten, gemeinsam das Schichtsystem zu überarbeiten, um reibungslose Arbeitsabläufe zu ermöglichen. Dies hat der Geschäftsführer abgelehnt", erklärte Hecker. So wollten die Streikenden etwa erst mal den Resturlaub von 2023 abgelten.

Keine Lohnfortzahlung

Die Entscheidung, wieder an die Arbeit gehen zu wollen und den Streik zu unterbrechen, sei der Streikleitung nicht leicht gefallen - nach 180 Tagen im Ausstand. Das war der längste Streik von Arbeitnehmern, den es in Deutschland je gegeben hat.

Laut IG Metall hat es eine Aussperrung seit 40 Jahren nicht mehr in Deutschland gegeben. Aussperrung bedeutet, dass der Arbeitgeber auf die angebotene Arbeitsleistung der streikenden Beschäftigten verzichtet. Trotz gültigen Arbeitsvertrags muss in der Zeit auch kein Lohn gezahlt werden. Der letzte bekannte Fall einer Aussperrung stammt aus dem Jahr 2011. Während eines Lokführerstreiks hatte das Unternehmen Veolia Lokführer ausgesperrt. Ein Gericht wies das als unzulässig zurück. Allerdings nur, weil nicht alle Streikenden ausgesperrt wurden. Das könnte im Fall SRW eine andere juristische Situation sein. Ob sich Gerichte damit befassen müssen, ist noch unklar.

Gewerkschafter Michael Hecker hofft weiter auf eine Gesprächsbereitschaft der Unternehmensführung. © kairospress

"Anstatt auf unsere ausgestreckte Hand zu reagieren, ist die Aussperrung ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten von SRW", erklärte Hecker und weiter: "Wir sind entsetzt, mit welcher Kälte und Verachtung unsere Kolleginnen und Kollegen von den Verantwortlichen bei Scholz Recycling und SRW behandelt werden."

Arbeitgeber dürfen aussperren

SRW sieht es als verbrieftes Recht an, auf Streiks mit Aussperrung zu reagieren. Dafür sind allerdings enge rechtliche Rahmen gesetzt. Das Unternehmen ließ lediglich mitteilen, dass ein Ende des Streiks "überfällig" sei. Es dürfte aber auch ums Geld gehen. Im Streikfall zahlt die IG Metall ein Streikgeld. Das variiert je nach Dauer der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und beträgt um die 350 Euro pro Woche.

Die Streikenden von SRW metalfloat mit ihren Schreiben, auf denen sie ankündigen, den Streik auszusetzen und wieder ihre Arbeitskraft anbieten. Die Zettel steckten sie am 6. Mai in den Briefkasten des Unternehmens. © IG Metall

Seit 8. November 2023 wurde bei SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig gestreikt. Die Hauptforderung war eine Tarifbindung des Betriebs, die es bisher nicht gibt. Die IG Metall forderte anfangs für die Beschäftigten acht Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1.500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden.

Später entwickelte die IG Metall einen Haustarifvertrag auf Basis der vom Unternehmen veröffentlichten Werte und Entgelten, die der Arbeitgeber an den anderen deutschen Konzernstandorten freiwillig erhöht hat.

Streikbereitschaft war ein Problem

Von der Gewerkschaft wurde die Streikbereitschaft unter den Beschäftigten aber offenbar höher eingeschätzt, als sie letztlich war. Das Unternehmen musste zwar erhebliche Einbußen durch den Arbeitsausfall hinnehmen. Mit den nicht streikenden Beschäftigten konnte jedoch weiterhin ein Betrieb in zwei Schichten aufrechterhalten werden, wenn auch unter extremen Bedingungen.

Finanziell hätte die IG Metall auch noch länger Streikgeld an die Beschäftigten zahlen können. "Die Streikkasse der IG Metall bekommt keiner leer", hieß es hinter vorgehaltener Hand.

Wie das Unternehmen vor Kurzem mitteilen ließ, gingen jedoch wichtige Protagonisten des Streiks von der Fahne. So habe der amtierende Betriebsratsvorsitzende "um Aufhebung seines Anstellungsverhältnisses zum 30. April gebeten". Der Nachrücker in den Betriebsrat hat ebenfalls das Unternehmen verlassen wollen. Inzwischen würde nur noch eine Minderheit der Beschäftigten streiken.

Dem widerspricht die Gewerkschaft. Knapp 100 der 180 Beschäftigten hätten sich am Streik beteiligt. Bei der Urabstimmung am Anfang hätten sogar 90 Prozent für einen Streik gestimmt. Tatsächlich waren es dann aber weniger, die in den unbefristeten Ausstand traten. In der Verwaltung arbeiteten - wie geplant - alle weiter.

Unternehmen spricht mit Betriebsrat

Das Unternehmen SRW Metalfloat gehört zur Scholz Recycling Gruppe mit Sitz in Essingen in Baden-Württemberg. Daniel Fischer, Finanzchef Deutschland von Scholz Recycling, erklärte nach den "persönlichen Entscheidungen" der Betriebsräte: "Diese sollten den Gewerkschaftsfunktionären zu denken geben. Unser Angebot gilt: Wenn der Betriebsrat der SRW metalfloat wieder verhandeln möchte, stehen wir bereit."

Ende 2016 übernahm mit der Chiho Environmental Group Limited ein börsennotiertes Schrottrecyclingunternehmen aus China die Scholz Holding GmbH und damit auch SRW metalfloat. Die Chiho Environmental Group residiert in Hongkong und ist auf den Cayman Islands registriert.

Politiker blitzten ab

Zahlreiche Politiker von Bund und Land hatten in dem Streik ihre Hilfe und Vermittlung angeboten. Vor zwei Wochen forderten noch 79 Abgeordnete des Bundestags in einem offenen Brief die Firma Scholz Recycling auf, einen Tarifvertrag für SRW metalfloat abzuschließen und damit einer Forderung der IG Metall nachzukommen. 78 Abgeordnete gehören den Fraktionen SPD und Bündnis90/Grüne an. Zudem hatte der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann (CDU) den Brief mit unterzeichnet. Das Unternehmen sprach daraufhin von einer "inakzeptablen Einmischung der Politik".

Auch Linken-Politiker wie Gregor Gysi kamen ans Werktor zu den Streikenden und sagten ihnen Unterstützung zu. Selbst Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) besuchte die Streikenden und wollte helfen, in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber zu vermitteln. Doch auch er konnte keine Bewegung in die Sache bringen.

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