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Prozess Erwin Müller im Erbstreit: So lief die Verhandlung in Ulm

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Enttäuschte Freundschaft, Versprechen in Millionenhöhe, und fragwürdige Verträge: In einer Mammutsitzung wurde am Montag eine Klage von drei Adoptivkindern des Drogerie-Unternehmers Erwin Müller verhandelt. Sie fühlten sich von dem Adoptivvater ausgenutzt. Doch das Gericht kam zu einer anderen Auffassung.

Auf einer Berghütte in den österreichischen Alpen habe Erwin Müller im Frühjahr 2015 seine damaligen Freunde Andreas J., Stefanie J. und Adrian J. besucht - mit einer frohen Kunde im Gepäck. Er wolle sie adoptieren, habe er „voller Euphorie kundgetan", berichtete der Kläger Andreas J. vor dem Ulmer Landgericht.

Die Versprechen hätten märchenhaft geklungen: „Solange ihr lebt, soll es an nichts mehr fehlen." Erwin Müller habe ihnen nicht nur Geld für den Kauf von Immobilien geboten, sondern auch die Schenkung einer Finca auf Mallorca in Aussicht gestellt. Im Gegenzug sollten die Adoptivkinder in einem Vertrag erklären, dass sie auf ihren Pflichtanteil verzichten würden.

Enge Beziehung

Stefanie J. erklärte vor Gericht, Müller habe sie „umgarnt". Und auch von einem großen Gefallen gesprochen. „Müllers Unternehmen stand damals nicht gut da", behauptete sie. Grund dafür seien Spekulationen von Erwin Müller gewesen. Der Pflichtteilsanspruch des leiblichen Sohns Reinhard Müllers hätte das Unternehmen offenbar in Schwierigkeiten bringen können. „Wir wollten ihm helfen, sein Lebenswerk und die Arbeitsplätze zu schützen", sagte Stefanie J.

Anita Müller mit ihrem Anwalt Anton Steiner. Müllers Ehefrau nahm umfangreich Stellung zu den Vorwürfen gegen ihren Mann. (Foto: Andreas Spengler)

Vor dem Ulmer Landgericht gaben sich die drei Kläger als einfache, ehrliche Leute. Andreas J., seine Frau Stefanie J. sowie dessen Bruder Adrian J. kommen aus Weitnau im Allgäu. Andreas und Stefanie J. betreiben dort ein Jagdgeschäft und die Drei haben Erwin Müller vor Jahren beim Jagen kennengelernt. Aus dem gemeinsamen Hobby entstand eine scheinbar tiefe Freundschaft. „Wir hatten eine sehr enge Beziehung und tiefstes Vertrauen", sagte Andreas J. vor Gericht „Wir dachten, er wolle uns wirklich in seine Familie aufnehmen."

Nur die Hochzeit im Kopf

Bei Kaffee und Kuchen im privaten Wohngebäude sei schließlich der Adoptionsvertrag zur Unterzeichnung vorgelegt worden - kombiniert mit einer Verzichtserklärung auf den Pflichtanteil des Erbes. Das geschah offenbar zwei Tage vor der geplanten Hochzeit, im August 2015. Um die Verzichtserklärung in Ruhe durchzulesen, habe damals die Zeit gefehlt. „Wir hatten nur die Hochzeit im Kopf." „Die Freude war riesengroß", sagte Andreas J. In der Anfangszeit fuhr Müller sogar mit den Adoptivkindern in den Urlaub, sie feierten Weihnachten zusammen.

Doch das Vertrauen sei gebröckelt, als die Adoptivkinder feststellen mussten, dass auf die großen Versprechen offenbar keine Taten folgten. Schon nach der Unterzeichnung habe Müller demnach kundgetan, dass er diesen Vorgang als „wirtschaftliche Angelegenheit" sehe. „Da waren wir schon schockiert", sagte Frau J.

Schenkungen in Millionenhöhe

Als Ausgleich für den Verzicht auf den Pflichtanteil seien „Schenkungen in Millionenhöhe versprochen" worden. Stattdessen erhielten die drei Adoptivkinder hingegen lediglich Schenkungen in Höhe von jeweils 400.000 Euro. Als das Trio schließlich aktiv das Gespräch mit ihrem Adoptivvater gesucht habe, habe Erwin Müller dann „keine Zeit mehr gehabt - immer dann, wenn es unangenehm wurde", sagte Andreas J.

Wir wollten immer zeigen, dass wir gute Adoptivkinder sind.

Andreas J. 

„Ich habe mit Sicherheit zu wenig hinterfragt", gesteht Andreas J. Erwin Müller sei stets ein großes Vorbild für ihn gewesen. „Wir wollten immer zeigen, dass wir gute Adoptivkinder sind." Den Prozess hätten sie nie gewollt, er sei aber „ein letzter Ausweg, um noch etwas Gerechtigkeit zu bekommen."

Anita Müller widerspricht

Der Beklagte Erwin Müller ließ sich vor Gericht von seinen Anwälten vertreten. Seine Frau Anita Müller aber war anwesend, ergriff mehrmals das Wort und widersprach den Klägern deutlich. Tatsächlich sei die Adoption für ihren Mann eine „Herzensangelegenheit" gewesen. Nachdem das Verhältnis zum leiblichen Sohn zerrüttet gewesen sei, habe ihrem Mann Erwin ein „Familienanschluss gefehlt". Die Freundschaft vor allem zu Andreas J. war echt, daran ließ sie keine Zweifel. „Er hat sich wohl damit gefühlt, nochmal drei Kinder zu haben."

Dass die Adoptivkinder jedoch auf ihren Pflichtanteil verzichten müssten, sei von Beginn an klar gewesen. „Wer meinen Mann kennt weiß, dass es ohne Pflichtverzicht nicht geht." Damit wolle Erwin Müller seine Firma schützen. Die Vereinbarung aber sei gewesen, dass die Adoptivkinder alle zehn Jahre eine Schenkung in Höhe von jeweils 400.000 Euro erhalten sollten. Weitere besondere Schenkungsversprechen habe es dagegen nicht gegeben. „Mein Mann hätte sicherlich nicht auch noch Schenkungssteuer zahlen wollen", erklärte sie.

Vor Gericht gerieten die Kläger und die Anwälte von Anita und Erwin Müller mehrmals verbal aneinander. Beide Seiten bezichtigten sich der Lüge.

Richterin hakt nach

Mehrmals hakte die vorsitzende Richterin Johanna Warmuth nach und wollte wissen, wie konkret denn die Schenkungszusagen waren. Auch wollte sie wissen, ob die Unterzeichnung der Verträge unter emotionalem Druck stattgefunden hätte.

Die Kläger - insbesondere Adrian J. - gab jedoch an, nach der ersten Schenkung sogar dankbar gewesen zu sein. Auch wenn er sich insbesondere für seine Frau und seine Kinder mehr erhofft hatte.

Enttäuschte Kläger

Und so blieb schließlich der Eindruck von drei enttäuschten Klägern, die sich weit mehr von ihrem Adoptivvater und seinen Versprechen erhofft hatten. Das Gericht kam aber schließlich in seiner Begründung zu der Auffassung, dass die Verträge weder formnichtig noch sittenwidrig geschlossen worden seien.

Wir sprechen hier ja nicht von jungen Menschen, die Verträge vielleicht nicht verstehen können.

Richterin Johanna Warmuth

Die Begründung der Kläger, sie hätten Erwin Müller blind vertraut, ließ das Gericht nicht gelten. „Wir sprechen hier ja nicht von jungen Menschen, die Verträge vielleicht nicht verstehen können." Selbst wenn Erwin Müller die Adoption nur angestrebt habe, um seinen leiblichen Sohn zu benachteiligen, habe das primär nichts mit der Klage zu tun.

Keine Zwangslage

Auch hätten sich die Kläger weder in einer „seelischen Zwangslage" noch in einer „finanziellen Abhängigkeit" befunden. Die Klage habe damit „nur sehr geringe Aussicht auf Erfolg", so das Fazit von Richterin Warmuth.

Sie schlug vor, beide Seiten könnten sich darauf einigen, die Adoption zu widerrufen. Der Anwalt der Kläger, Maximilian Ott, zeigte sich offen für weitere Gespräche. Anton Steiner, der Erwin Müller vertrat, verwies darauf, dass bereits „viel böses Blut" geflossen sei. Bis Ende Juli sollen sich die Streitparteien nochmals schriftlich äußern können. Dann wird ein Urteil erwartet. Den Streitwert hat das Gericht auf den Höchstwert von 30 Millionen Euro angesetzt.

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