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Islamisten-Demos in Hamburg: Wie soll Hamburg den islamistischen Demonstrationen begegnen?

Original source (on modern site)

© Florian Thoss für DIE ZEIT

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Woche begann mit dem Auftritt eines Freiheitskämpfers, nämlich des Hamburger CDU-Vorsitzenden Dennis Thering. "Unsere freiheitliche Gesellschaft muss mit aller Konsequenz verteidigt werden!", fordert er und verlangt mit dieser Begründung ein Verbot islamistischer Demonstrationen. O-Ton Thering: "Die verstörenden Bilder von Kalifat-Verherrlichung und ›Allahu Akbar‹-Rufen am Hamburger Steindamm dürfen sich nicht wiederholen."

Den Impuls finde ich verständlich, radikaler Islamismus ist auch in Deutschland eine echte Gefahr. Und die Organisation "Muslim Interaktiv", die am kommenden Samstag in Hamburg schon wieder auf die Straße gehen möchte, ist sicherlich nicht harmlos. Eine völlig andere Frage ist aber, ob ihre öffentlichen Auftritte verboten werden sollten.

Im Streit um Parteiverbote hat das Bundesverfassungsgericht vor mehr als 70 Jahren einen schönen, klaren Maßstab etabliert: Verboten werden darf eine politische Betätigung erst dann, wenn sie nicht nur darauf abzielt, die Verfassung zu beseitigen, sondern auch die Gefahr besteht, dass dies Ziel erreicht wird.

Wie groß die Gefahr ist, die von diesen speziellen Islamisten ausgeht, mögen andere beurteilen, das ist eine Frage für Politikwissenschaftler, Verfassungsschützer und Juristen. Was aber Dennis Thering anführt, rechtfertigt keine so drastische Freiheitseinschränkung. "Verstörende Bilder" müssen Demokraten aushalten, und verfassungsfeindliche Parolen werden nicht schon dadurch illegal, dass sie verfassungsfeindlich sind. "Allahu Akbar" darf in Deutschland sowieso jeder rufen, Gott sei Dank: Es gibt Länder, in denen öffentliche Bekenntnisse zu minoritären Glaubensgemeinschaften gefährlich oder sogar rechtswidrig sind, das sollte ein Christdemokrat wissen.

Man kann, finde ich, auch etwas anderes verstörend finden: wie schnell Vertreter der politischen Mitte sich neuerdings dazu bereitfinden, die Grundrechte von Minderheiten einzuschränken zu wollen. Der Überbietungswettbewerb, der da begonnen hat, ist aus meiner Sicht wirklich bedrohlich. Anders als die Parolen der Islamisten könnte dies Anliegen nämlich mehrheitsfähig und am Ende durchsetzbar sein. Und gerade in Hamburg sind die Maßstäbe zuletzt ins Rutschen geraten: Es bedurfte im vergangenen Jahr einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, gegenüber der Innenbehörde etwas eigentlich Selbstverständliches durchzusetzen: dass nicht jede spontane Demonstration verboten werden darf, bloß weil sie propalästinensisch ist und es bei solchen Veranstaltungen - vereinzelt, vor Jahren, teilweise auch an völlig anderen Orten - zu antisemitischen oder auch nur "israel- und deutschlandkritischen Äußerungen" kam.

Wer die Freiheit verteidigen will, finde ich, sollte sie auch gegen den Versuch verteidigen, sie aus Angst vor ihren Feinden abzuschaffen. Und wer diesem grundsätzlichen Argument nicht folgen mag, für den hätte ich auch noch ein taktisches: Man täte den Islamisten vermutlich einen Gefallen, wenn man ihre Demonstration verbietet. Mit der Selbstinszenierung als Märtyrer kennen sie sich aus.

Haben Sie einen schönen Tag!

Ihr Frank Drieschner

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WAS HEUTE WICHTIG IST

© Christian Charisius/​dpa

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius fordert inmitten der laufenden Haushaltsverhandlungen eine Erhöhung seines Etats um mehrere Milliarden Euro. Eine verlässliche Verteidigung brauche einen verlässlichen und nachhaltigen Haushalt, sagte der SPD-Politiker am Montag beim 74. Übersee-Tag in Hamburg. Russland sei die größte Bedrohung für Sicherheit und Frieden im euroatlantischen Raum. "Deshalb ist es unsere Aufgabe, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Wir können nicht am Seitenrand stehen und abwarten, was passiert", sagte Pistorius bei der Rede im Großen Festsaal des Rathauses. Seit 1950 feiert der Hamburger Übersee-Club jedes Jahr Anfang Mai den Übersee-Tag in Erinnerung an die Verleihung der Handelsprivilegien an die Freie und Hansestadt Hamburg durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1189.

Die Stadt Hamburg hat ein einjähriges Pilotprojekt zur Erprobung von Radboxen gestartet. Ziel sei es, Fahrradfahrern und ihren Rädern mehr Schutz vor Witterung und Diebstahl sowie eine komfortable Abstellmöglichkeit im öffentlichen Raum zu bieten, teilte die Verkehrsbehörde am Montag mit. Insgesamt werden 20 Boxen an verschiedenen Standorten in Altona Nord, Eimsbüttel und Mitte bereitgestellt. Rund 200 Menschen können die Boxen für je sechs Monate testen und ihre Erfahrungen bezüglich Alltagstauglichkeit, Komfort und Kundensupport mitteilen.

Am Montag hat in Hamburg ein Prozess um mutmaßlich falsche Gesundheitszeugnisse in der Coronapandemie begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft einem Arzt für Innere Medizin vor, zwischen April 2020 und September 2021 in 57 Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt zu haben. Laut Anklage hat der heute 80-Jährige die für die Gesundheitszeugnisse erforderlichen Untersuchungen bei den Patienten nicht gemacht und Diagnosen wie "Panikattacken" oder "Asthma bronchiale" teilweise ohne Begründung notiert. Das Gericht hat vorerst 18 weitere Termine bis Ende September angesetzt.

In aller Kürze

• Die defekte Gepäckanlage am Hamburger Flughafen im Terminal 1 läuft wieder. Alle Passagiere hätten laut einer Flughafensprecherin am Montag wieder wie gewohnt abfliegen können • Vor dem Himmelfahrtswochenende hat der ADAC vor Staus in Hamburg und Schleswig-Holstein gewarnt. Vor allem der Großraum Hamburg sei durch den Reiseverkehr betroffen • Am Montag eröffnete die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein die Erdbeersaison

AUS DER HAMBURG-AUSGABE

© Nomi Baumgartl

In der Burg des Meisters

Bis vor Kurzem wohnte Petra Bamberger in einem Haus in Blankenese, in dem einst der Künstler Horst Janssen gelebt und gearbeitet hat. Überall fand sie seine Spuren - nun musste sie ausziehen und verabschiedete sich in einem Text in der Hamburg-Ausgabe der ZEIT von diesem besonderen Ort. Lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem Text:

Vor sieben Jahren zog ich in den ersten Stock eines alten Kutscherhauses im Mühlenberger Weg in Blankenese. Ich bin in einem erdrückenden Haus in Süddeutschland aufgewachsen. Es gab keinen Flecken, der nicht genutzt wurde. Kein Stückchen weiße Wand, dafür Rahmen an Rahmen, Ölgemälde an Stich, Aquarell an Sideboard mit Kupfer, Zinn, Silber, Barockschrank an Jugendstilvitrine, Heilige neben Herrschern. Nur Altes ist Wahres, war die Devise. Umgeben von all der "richtigen" alten und schweren Kunst in jeglicher Ausführung verbrachte ich meine Kindheit. Und dann, ich denke, es war in der siebten Klasse, entdeckte ich etwas anderes.

Unser Kunstlehrer hatte eine große Anzahl von Abbildungen verschiedenster Werke aller Epochen auf seinem Pult ausgebreitet. Jede und jeder sollte sich eines auswählen und dann über den Künstler ein Referat halten.

Die Abbildung, die ich mir aussuchte, war von Horst Janssen - leichte Striche, nichts war zu viel, eher ein Zuwenig, gar nicht richtig fertig, und trotzdem entfaltete sich aus diesen Strichen für mich eine Offenbarung: Kunst kann leicht sein.

Ein Galerist, der Grafiken von Horst Janssen verkaufte, erzählte mir von ihm und schenkte mir eine Postkarte: darauf ein Hund, im Hintergrund ein Janssensches Selbstporträt, in der linken Ecke der Postkarte steht "WIR".

Ich hielt mein Referat, verstaute die Postkarte in einem Karton und machte mich auf in die vor mir liegende Zeit des Erwachsenwerdens.

25 Jahre später traf ich während der Buchmesse in Frankfurt einen Mann, in den ich mich im Laufe des Abends Hals über Kopf verliebte. Ich wohnte damals in Nürnberg, es folgten viele Monate des Pendelns, aus Verliebtheit wurde Liebe, und es regte sich ein ernsthaftes Nachdenken über einen Umzug nach Hamburg. Wieder zwei Buchmessen später traf ich einen Freund, den ich bei einigen Begegnungen in Hamburg kennengelernt hatte und unterdessen sehr mochte. Wann ich denn nun nach Hamburg ziehen würde, fragte er. Er habe nämlich vor Kurzem ein Haus gekauft. Es müsse renoviert werden, aber das wäre erst in vermutlich zwei Jahren möglich. Ob ich nicht als Übergang dahin ziehen möchte. Es sei sehr bezaubernd und habe einem Künstler gehört.

Welchem?, fragte ich.

Und er sagte: Horst Janssen.

Lesen Sie auf ZEIT ONLINE die ungekürzte Fassung von Petra Bambergers Text über ein Leben an einem besonderen Ort, mit verkritzelten Türen und durchlöcherten Dosen, aus denen Horst Janssen einst Lampen bastelte, und über einen besonderen Hamburger Künstler.

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DER SATZ

© Jim Erickson/​plainpicture

"Was sie hielt, war die Hoffnung, hier Kraft zu sammeln. Der Wunsch, zu klären, was ihrem Sohn fehlt. Und die Chance, ihre Beziehung zu ihm zu verbessern."

Diese Sätze stammen aus dem ersten Absatz eines Textes der Hamburger Autorin Marlene Borchardt. Sie porträtiert eine Mutter, die in ihrem Text Maria Conti heißt und an einer Depression erkrankt ist, und deren Sohn Sebastian, bei dem ein Verdacht auf Autismus besteht. Für Familien wie diese gibt es in Hamburg ein besonderes Angebot: eine Eltern-Kind-Klinik in Alsterdorf, in der sich Ärztinnen und Therapeuten sowohl um die Eltern als auch um die Kinder kümmern. "Das ist sogar Voraussetzung, um aufgenommen zu werden", schreibt Marlene Borchardt. "Sowohl ein Elternteil als auch das Kind müssen psychisch stark belastet sein.".

Wie die Klinik den großen und kleinen Patientinnen hilft, auf welche Schwierigkeiten Maria Conti und ihr Sohn stoßen und welche große Chance die Doppelbehandlung betroffenen Familien bietet, lesen Sie in Marlene Borchardts Text auf ZEIT ONLINE.

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DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

In diesem Jahr erhält Meredith Whittaker, Präsidentin des Messenger-Dienstes Signal, für ihren Einsatz zugunsten einer humanen und gemeinwohlorientierten Entwicklung künstlicher Intelligenz den Helmut-Schmidt-Zukunftspreis. Signal ist ein frei nutzbarer Dienst einer gemeinnützigen Stiftung mit verschlüsselter Kommunikation. An dem Abend stellen auch Studenten der Leuphana Universität neue Ideen für die Gestaltung der Zukunft vor.

Helmut-Schmidt-Zukunftspreis Living Democracy, 15. 5., 19 Uhr, Thalia Theater, Alstertor. Hier können Sie sich anmelden.

MEINE STADT

Streuobstwiese (Volksdorf) © Beate Viehmann

HAMBURGER SCHNACK

Bus 112 in Richtung Hauptbahnhof. Der Bus ist voll, der Busfahrer macht eine Durchsage:

"Liebe Fahrgäste, bitte überprüfen Sie einmal, wer sich von Ihnen mit Armen, Beinen, Händen oder Füßen an einem der roten Stoppknöpfe festhält. Bitte loslassen, danke!"

Gehört von Irmi Teltau

DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESEN

In der Burg des Meisters (Z+) - Petra Bamberger wohnt in einem Haus in Blankenese, in dem einst der Künstler Horst Janssen gelebt und gearbeitet hat - und findet überall seine Spuren. Nun muss sie ausziehen. Ein Abschied

Helft ihm, helft mir, helft uns (Z+) - Maria leidet an Depressionen, bei ihrem Sohn besteht Verdacht auf Autismus. Eine Hamburger Klinik mit einem besonderen Konzept will beiden helfen. Und hat Erfolg.

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