< Back to 68k.news DE front page

IT-Jobs in Afrika: Wie Brian vom kenianischen Dorf aus die Zukunft der KI mitgestaltet

Original source (on modern site) | Article images: [1] [2]

Brian Kipchumba im Digital Lab

Foto: Elwin Cherop / DER SPIEGEL

Bei seinen Auftritten erzählt der kenianische Präsident William Ruto gern von ihm: »Ich habe da diesen Brian vom Dorf getroffen«, sagt er immer dann, wenn es um die Zukunft der Jugend in Afrika geht, um Arbeit und Chancen.

Brians Geschichte hat Ruto offenbar schwer beeindruckt. Und Brian ist durch das Staatsoberhaupt gewissermaßen ein wenig berühmt geworden, zu einer Art Symbol dafür, dass man es trotz widriger Umstände schaffen kann, selbst wenn man aus einem kleinen Kaff in den kenianischen Bergen kommt und nicht mal einen Reisepass hat.

Denn es gibt diesen Brian wirklich, er ist 21 Jahre alt und war noch nie in seinem Leben in der Hauptstadt Nairobi. Trotzdem arbeitet Brian Kipchumba online für europäische und US-amerikanische Firmen, er trainiert künstliche Intelligenz. Auch für deutsche Unternehmen war er schon tätig. Sein Erfolg sorgte im ländlichen Kenia für einen regelrechten Run auf IT-Jobs. Könnte seine Geschichte ein Modell für die Zukunft der Arbeit in Afrika sein? Ist Remote Work eine mögliche Alternative zur Migration?

DER SPIEGEL erreicht Brian per Telefon, ein geplanter Zoom-Call kommt nicht zustande, da die Internetverbindung gerade nicht stabil genug ist.

Inzwischen arbeiten bis zu 15 Menschen mit ihm im Lab in Onlinejobs

Foto: Elwin Cherop / DER SPIEGEL

SPIEGEL: Wie können wir uns Ihr Dorf vorstellen?

Kipchumba: Das Leben hier ist hart. Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Die Menschen hier sind nicht sehr gebildet. Der Handyempfang ist schlecht. In meinem Haus gibt es keinen Strom. Das Internet ist ein echtes Problem, ein Glasfaseranschluss existiert nicht. Ich habe früher mobile Datenpakete gekauft, um arbeiten zu können; die sind sehr teuer. Oft ging mein ganzer Lohn dafür drauf. Manchmal habe ich sogar Minus gemacht.

DER SPIEGEL: Und jetzt? Von wo aus arbeiten Sie?

Kipchumba: Im Nachbardorf gibt es inzwischen ein sogenanntes Digital Lab, das von der Regierung eingerichtet wurde, also eine Art Coworking-Büro für Onlinearbeiter. Die Regierung möchte mit dem Programm jungen Menschen eine Chance geben, in der digitalen Welt Geld zu verdienen. Das Netzwerk dort ist gut. Ich habe einen Schlüssel und kann jederzeit rein. Dadurch spare ich eine Menge Geld. Das Digital Lab gehört zu einer Polytechnischen Hochschule, dort belege ich jetzt auch einen Kurs in Informatik. Tagsüber gehe ich zum Unterricht, also opfere ich meinen Schlaf und arbeite nachts. Meine normalen Arbeitszeiten sind zwischen 19 Uhr und drei Uhr morgens.

SPIEGEL: Wie genau sieht die Onlinearbeit aus?

Kipchumba: Ich erledige hauptsächlich sogenannte KI-Expertenaufgaben. Im Grunde trainiere ich künstliche Intelligenz für die Zukunft. Das funktioniert über ein Onlineportal. Dort bekomme ich etwa eine Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten, und dann wähle ich die am besten passende Antwort aus. Manchmal vergleiche ich auch mehrere Programmiercodes; das ist dann etwas anspruchsvoller. Und gelegentlich mache ich auch sogenanntes Data Labeling: Ich bekomme etwa ein Bild von einer belebten Straße und helfe der KI, verschiedene Objekte zu identifizieren. Ich markiere dann die Autos, die Fahrräder, die Menschen usw. Einmal habe ich auch Organe auf Röntgenbildern zugeordnet, damit die KI in Zukunft ohne menschliche Hilfe Diagnosen erstellen kann.

SPIEGEL: Wie viel verdienen Sie damit?

Kipchumba: Zwischen sechs und 18 US-Dollar pro Stunde für die Expertenaufgaben, aber für das Data Labeling wird viel weniger bezahlt, mitunter nur zehn Cent pro Stunde. Deshalb versuche ich, diese Jobs zu vermeiden. Aber manchmal gibt es keine andere Arbeit, dann muss ich nehmen, was gerade verfügbar ist - auch wenn mich das sehr frustriert.

SPIEGEL: In Kenia sind Sie zu einer Art Vorbild der Jugend geworden. Haben es Ihnen andere im Dorf nachgemacht und arbeiten jetzt auch online?

Kipchumba: Ja, an manchen Abenden sind wir inzwischen 15 Leute. Das Lab gibt es erst seit einem Jahr, anfangs wussten nur wenige Leute von den Online-Arbeitsmöglichkeiten. Aber dann wurde ein digitales Programm ins Leben gerufen, wir wurden für die Onlinearbeit geschult, die Lehrer haben uns gezeigt, wie man die Plattformen nutzt. Es gibt etwa 80 dieser Onlineportale für KI-Arbeit weltweit, die sind offen für Menschen aus allen Ländern; es werden dort einzelne Aufgaben angeboten statt feste Jobs. Also haben wir eins nach dem anderen getestet. Als Anfänger ist es schwer, denn man muss gute Bewertungen vorweisen, um gebucht zu werden.

SPIEGEL: Wie ist Ihre Begegnung mit dem Präsidenten zustande gekommen?

Kipchumba: Er hat Anfang des Jahres das Digital Lab besucht, und zu dieser Zeit hatte ich bereits den Onlinejob. Meine Lehrer meinten, ich sei doch sehr mutig, also baten sie mich, dem Präsidenten vom Leben auf dem Land zu berichten. Ich sollte von meiner Arbeit erzählen, von den Herausforderungen im Dorf und davon, wie das Digital Lab uns geholfen hat. Das habe ich dann gemacht. Ich sagte Herrn Ruto, dass ich dank des Lohns jetzt meine Schulgebühren und meine Miete bezahlen kann.

Vom Laptop auf den Acker: In seiner Freizeit bewirtschaftet Kipchumba das Feld vor seinem Haus

Foto: Elwin Cherop / DER SPIEGEL

SPIEGEL: Eine der beliebtesten Onlineplattformen hat sich aus Kenia zurückgezogen, nachdem Sie dem Präsidenten von Ihrer Arbeit erzählt hatten. Warum?

Kipchumba: Ja, das ist sehr bedauerlich und hat mich hart getroffen. Alle kenianischen Konten wurden inzwischen abgeschaltet. Es liegt wohl daran, dass sich nach meinem Gespräch mit dem Präsidenten und den Berichten in den Medien sehr viele Leute dort angemeldet hatten. Dann haben sie aber schlechte Arbeit abgeliefert, haben viele Fehler gemacht, sodass sich die Plattform aus Kenia zurückziehen musste. Kurz zuvor hatten sie schon die Bezahlung deutlich gesenkt. Viele Kenianer haben mich deswegen auf Social Media angeschrieben und mir die Schuld zugeschoben. Das war ein Rückschlag. Aber hier im Ort habe ich vor allem positive Erfahrungen gemacht; viele Leute fragen mich um Rat; sie wollen auch online arbeiten. Ich helfe ihnen dann, inzwischen trainiere ich sogar meine eigenen Lehrer hier an der Polytechnischen Schule. Die wollen ihr Gehalt auch etwas aufbessern.

SPIEGEL: Aber es gibt auch Kritik an den Online-KI-Jobs: Afrikanerinnen und Afrikaner würden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, die Armut im Globalen Süden ausgenutzt.

Kipchumba: Da ist sicherlich etwas dran. Es ist sogar so, dass die meisten dieser Onlineseiten afrikanischen Arbeitenden weniger zahlen als europäischen, obwohl sie die gleichen Jobs erledigen. Menschen aus Afrika werden diskriminiert. Das ist unfair.

SPIEGEL: Sind solche Onlinejobs auf dem Land von digitalen Labs aus trotzdem eine große Chance, ein Weg aus der Armut?

Kipchumba: Ja, absolut. Die meisten Jugendlichen in Afrika sind arbeitslos. Wenn man ihnen einen Laptop besorgt, einen Zugang zu Digital Labs verschafft, dann kann das die Jugendarbeitslosigkeit erheblich verringern und vielen afrikanischen Ländern aus der Misere helfen. So könnte die Zukunft der Arbeit auf dem afrikanischen Kontinent aussehen.

< Back to 68k.news DE front page