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Vodafone: Angst vor einem „Geisternetz der Telekom"

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Wie weit die Positionen der Deutschen Telekom, Vodafone und anderer Wettbewerber beim Ausbau von Glasfasernetzen auseinander liegen, zeigt sich immer wieder, wenn die Beteiligten aufeinandertreffen. Unlängst war es in Köln auf der Branchenmesse Anga Com wieder so weit. Und Beobachter konnten eines feststellen: Auch wenn seit der letzten Diskussion zwischen den Marktteilnehmern im gleichen Raum ein Jahr vergangenen ist - an den Themen und Problemen hat sich nichts geändert. Und so fragte sich so manch Zuhörer des Gigabit-Gipfels 2024, ob er nicht gerade eine Aufzeichnung des Podiums des Vorjahres gehört hatte.

Vorwurf: Telekom verlegt Glasfaser-Netze, die nichts bringen

Die Gemengelage beim Glasfaser-Ausbau ist kompliziert, die Interessen der Einzelnen sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite steht der scheinbar alles beherrschende Ex-Monopolist, die Deutsche Telekom. Er verdient mit seinem Kupfernetz und DSL sowie VDSL gutes Geld. Dennoch investiert man Jahr für Jahr Milliarden in den Netzausbau. Auch in Glasfaser-Leitungen. 2,5 Millionen Haushalte will die Telekom alleine dieses Jahr mit Glasfasernetzen versorgen, wie Wolfgang Metze, Privatkundenchef der Telekom betonte. Der Geschäftsführer der regional tätigen NetCologne Timo von Lepel hält das für eine Fake-Währung, wie er wörtlich sagte. Denn es handele sich bei den 2,5 Millionen Anschlüssen lediglich um „Homes Passed"-Anschlüsse. Das sind jene Anschlüsse, bei denen die Glasfaser-Leitung bei Homes Passed nicht bis in die Häuser geht, sondern nur am Haus vorbei.

„Wir haben eine Spitzenposition in Glasfaser-versorgten Bürgersteigen", so von Lepel in Anspielung auf das Glasfaser-Kabel vorm Haus. Erst, wenn eine Bestellung eines Kunden im Haus für Glasfaser vorliegt und die Telekom auch die Genehmigung des Eigentümers vorliegt, geht es weiter. Dann verlegt die Telekom ihre Leitung auch ins Haus und dann bis in die Wohnung des Mieters oder Eigentümers. „Die Herausforderung ist der Hausstich", weiß von Lepel aus eigener Erfahrung zu berichten. Das Wichtigste aus Sicht der Firmen aber sei, dass man mit einem Homes Passed-Anschluss kein Geld verdiene. „Das kann man sich nur leisten, wenn man ein Kupfernetz hat, das man mit einem Homes Passed-Ausbau schützen will", so von Lepel. Geld verdiene man nur mit Homes Connected oder noch genauer mit Homes Activated, also dann, wenn ein Anschluss geschaltet ist und die Leitung genutzt wird.

Vodafone: „Gebt das Rohr frei!"

Auch für dich als Nutzer bringt ein Homes Passed-Glasfaser-Anschluss kaum etwas. Willst du eines Tages Glasfaser nutzen, muss immer noch der Hausstich und die Verlegung im Haus vorgenommen werden. Zwar beteuert die Telekom, dass das - je nach Einzelfall - in der Regel binnen einiger Wochen oder Monate geschehe. Dennoch ist es ein logistischer und finanzieller Aufwand für alle Beteiligten, wenn erneut eine Baufirma ausrücken muss, um die letzten Meter bis ins Haus herzustellen.

Der nächste große Spieler im Markt ist Vodafone. Auch hier hat man eigene Interessen, verfügt man doch bereits über ein hochperformantes Koaxialnetz. Mit diesem lassen sich theoretisch mehrere Gigabit pro Sekunde in jede Wohnung übertragen, allerdings krankt es am Upstream, der Latenz und der Energieeffizienz im Vergleich zur Glasfaser. Das aber interessiert die meisten Kunden nicht, sie profitieren von günstigen Preisen für ihren Internetanschluss.

Vodafone-Manager Michael Jungwirth: Angst vor einem Geisternetz der Telekom

Damit Vodafone per Kabelanschluss in viele Haushalte Gigabit-Datenraten liefern kann, muss auch hier Glasfaser ausgebaut werden. Denn je mehr Kunden schnelles Internet über die Leitungen nutzen, desto mehr Netzknotenpunkte müssen segmentiert werden. Dann heißt es wie beim normalen Glasfaser-Ausbau: Leitungen verlegen. Nicht umsonst forderte daher der Vodafone-Regulierungsstratege Michael Jungwirth auf dem Anga Com-Podium mit Blick auf die Telekom: „Gebt das Rohr frei!". Hintergrund: Die Deutsche Telekom verfügt über unzählige Kilometer Leerrohre, die sich für das Verlegen von Glasfaser-Leitungen nutzen ließen. Doch über die Freigabe der Nutzung durch andere Anbieter mag man sich nicht so recht einig werden.

Nachfrage nach Glasfaser ist gering

Die nächsten Spieler auf dem Markt sind die zahlreichen mehr oder weniger großen privaten Glasfasernetzbetreiber. Auch diese teilen sich wiederum in zwei Lager auf. Auf der einen Seite sind die Stadtwerke-getriebenen Anbieter, die aufgrund der Voraussetzungen im Ort und eines finanziellen Polsters alles etwas entspannter sehen können. Und es gibt jene, die durch Investoren getrieben und angehalten sind, möglichst schnell möglichst viel Rendite zu erwirtschaften. Genau das ist aber im Glasfaser-Geschäft eher schwierig.

Das zeigt auch ein Blick auf die sogenannte Take-Up-Rate. Das ist jener Wert, der ausdrückt, wie viele der in der Erde versenkten Glasfaserleitungen tatsächlich genutzt wird. Und dieser Wert ist ernüchternd oder - wie NetCologne-Chef von Lepel es ausdrückte - „eine Katastrophe". Denn laut Bundesnetzagentur sind gerade einmal 11,2 Prozent der FTTH-Anschlüsse gebucht. Der Branchenverband VATM geht in seiner jüngsten Erhebung davon aus, dass bei den Wettbewerbern 35,1 Prozent der Leitungen genutzt werden, die Telekom hingegen nur 13 Prozent an den Kunden gebracht hat.

Wettbewerb auf der Glasfaser-Leitung ist noch schwierig

„Ich wünsche mir Wettbewerb", sagte Vodafone-Mann Jungwirth. Bis heute ist es ein Problem, dass zwar jeder Anbieter grundsätzlich für die Nutzung durch Wettbewerber offen ist, in der Praxis aber kaum Auswahl durch den Kunden möglich ist. Das liegt auch an den komplizierten Schnittstellen, die neu aufgesetzt werden müssen.

In Kürze wird die Telekom erstmals echte FTTH-Anschlüsse beim Wettbewerber M-Net buchen können. Doch bis es so weit war, gingen mehr als 20 Monate ins Land, weiß M-Net-Chef Nelson Killius zu berichten. Ein solcher Aufwand lohnt sich nur, wenn zwei Anbieter mit einer relevanten Größe aufeinanderstoßen, nicht aber für ein kleines Stadtwerk. In der Folge bleibt es trotz aller Öffnungs-Bekenntnisse aktuell ein lokales Monopol, wenn ein kleiner Netzbetreiber Glasfaser ausbauen wird. Doch das, da ist man sich in der Branche einig, wird sich in den kommenden Jahren ändern. Möglich wird das durch Dienstleister, die die entsprechenden Leitungen und Schnittstellen miteinander verknüpfen.

Bestehende Kunden auf Glasfaser umschalten würde Auslastung erhöhen

Ob die Telekom mit der Aktivierung der Schnittstelle bei M-Net ihre bestehenden VDSL-Kunden auf die Glasfaser-Leitung der Telekom migriert, das darf zu Recht bezweifelt werden. Dabei wäre genau dieser Schritt notwendig, um die Glasfasernetze auszulasten und eines Tages die alten DSL-Netze abschalten zu können. Gleiches gilt für die Telekom-eigenen DSL-Anschlüsse in den eigenen Glasfaser-Ausbau-Gebieten. Statt Homes Passed zu bauen, könnte die Telekom also auch ihr FTTH-Netz direkt richtig ausbauen, die Kunden migrieren und DSL abschalten. Doch hier scheint es, als träfe der Vorwurf der Wettbewerber zu: Da die Telekom, wenn das Glasfaser-Kabel schon vor dem Haus den Kunden liegt, kaum Angst haben muss, dass ein Wettbewerber sich den Kunden noch angelt, kann man es ruhig angehen lassen. Oder um es mit den Worten von Vodafone-Manager Jungwirth zu sagen: Das Handtuch ist ausgelegt, die Liege reserviert.

„Ich mache mir Sorgen, dass wir am Ende ein Geisternetz der Telekom haben", so Jungwirth mit Blick auf das Netz, das am Bürgersteig endet. Denn eine Notwendigkeit, aktiv von einem VDSL-Anschluss zu einem Glasfaser-Anschluss zu wechseln, sehen offenbar die wenigsten Kunden. Das machen die niedrigen Take-Up-Raten deutlich.

Abschaltung von DSL als Turbo für den Glasfaser-Anschluss

Genau diese Umstellung von DSL auf Glasfaser - in der Branche als Kupfer-Glas-Migration bezeichnet - ist das nächste Thema, das die Branche in den kommenden Jahren beschäftigen wird. Ein paralleler Betrieb eines DSL- und eines Glasfasernetzes ergibt auf Dauer keinen Sinn. Eine DSL-Abschaltung geht aber nur, wenn alle Haushalte mit einer Glasfaser-Leitung versorgt sind. Unklar ist auch, ob und wie ein Wettbewerber den Antrag stellen darf, das (V)DSL-Netz der Telekom abzuschalten, wenn er ein Gebiet voll versorgt hat. Die Deutsche Telekom hat hieran naturgemäß wenig Interesse. Der Ruf noch der Bundesnetzagentur aus der Branche wird hier lauter. Diese setzt aber zunächst auf eine Einigung im Markt und will zunächst nur moderierend tätig sein.

Das alles zeigt: Der Glasfaser-Ausbau in Deutschland läuft zwar, aber er könnte viel besser laufen. Und für dich als Endkunde gilt: Auch wenn du heute noch mit DSL oder VDSL auskommst, so wird eine Glasfaser-Leitung in einigen Jahren wohl so wichtig sein wie eine Strom- oder Telefonleitung heute. Daher solltest du mit einem Anbieter, der in deinem Haus ausbauen will, intensiv über die Konditionen sprechen. Bedenke, dass diese Leitung wohl auch in zwei bis drei Generationen noch genutzt werden dürfte.

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